19. 3. 2011. Viele Jahre lang hat sich die Wingsterin Ingrid Reyelt ehrenamtlich um das schöne kleine Fachwerkhaus - eine frühere Dorfschule - in ihrer Nachbarschaft gekümmert: Sie hat Schulklassen betreut, die das darin untergebrachte Wingster Waldmuseum besichtigen wollten, und den Kindern notfalls sogar ihre eigene Toilette zur Verfügung gestellt (in dem vom Landkreis jahrelang vernachlässigten Museum gibt's kein WC).
Die schwarzgelbe Kreistagsmehrheit schmiedete unterdessen Pläne, sich des Kostenfaktors Waldmuseum zu entledigen. Zunächst war von Schließung die Rede, bis Kommunen und Organisationen lautstark gegen den geplanten "kulturellen Kahlschlag" protestierten.
Seit diesem Sonnabend scheint die Zukunft des musealen Kleinods vorerst gesichert: 23 Einzelmitglieder sowie die AG Osteland haben im "Restaurant Am Zoo" einen Förderverein gegründet, der den Museumsbetrieb aus dem Händen der Kreisnaturschutzstiftung übernimmt, als deren Vorsitzender Vize-Landrat Claus Götjen dem neuen Vorstand einen Nistkasten "mit flachem Einflugloch" - für Geldspenden - überreichte.
Für die Vorstandsarbeit stellte sich in der Versammlung - Leitung: Kreis-Naturschützer Werner Rusch - ein kompetentes Team zur Verfügung: der Wingster Horst Arp als Vorsitzender, der Kräuterpädagoge Holger Buß (Hemmoor) als Vize, der amtierende Kreisjägermeister Ahrend Müller (Lamstedt) als Schriftführer und der Wingster Jugendherbergschef Jens Artinger als Schatzmeister. Beisitzer sind der Biologe Prof. Joachim Schliesske (zugleich Ausstellungswart) und die Wingsterin Karin Jungclaus.
Zu den Gründungsmitgliedern des Fördervereins zählen unter anderem Gerhard Klotz, Vorsitzender der Hadler Jägerschaft, Tina Schlossorsch von der Naturschutzstiftung sowie der langjährige Kreis-Touristiker Uwe Kühne, dem wie seinen Mitstreitern auch daran gelegen ist, dass der Wingst "ein Stück Identität" erhalten bleibt.
Als nächstes will der Verein von einem Leipziger Planungsbüro für ca. 25.000 Euro ein neues Konzept für das Museum erarbeiten lassen, das mehr auf Kinder und Jugendliche (aus benachbarten Schulen, dem Schullandheim und der Jugendherberge) zugeschnitten ist und mit dem EU-Gelder eingeworben werden können. Bis zur Neueröffnung, voraussichtlich 2012, soll das Museum weiter in bisheriger Form betrieben werden - betreut, wie gehabt, von der Hausnachbarin Ingrid Reyelt, der als kleines Dankeschön ein Blumenstrauß überreicht wurde.
Kulturellem
Kleinod
droht die
Schließung
16. 5. 2008. Kahlschlagpläne aus der Cux-Kreisverwaltung empören wieder einmal die Verantwortlichen im Osteland und umzu: Wie schon 2005 drängt Landrat Kai-Uwe Bielefeld erneut darauf, neben dem Hermann-Allmers-Heim in Rechtenfleth und der Burg Hagen auch das Waldmuseum Wingst zu verkaufen - was aus vielerlei Gründen ein Schildbürgerstreich wäre.
Mit viel Aufwand - monatelanger Bürgerbeteiligung, ehrenamtlichem Engagement, behördlichen Bemühungen, EU-Geldern - werden anderswo neue Museen geplant, etwa an der Schwebefähre in Osten, um Anlaufpunkte für den Kulturtourismus zu schaffen, der neben der Landwirtschaft der wichtigste Hoffnungsträger der Region ist. Gleichzeitig soll in der touristisch notleidenden Wingst ein museales Kleinod plattgemacht werden, das vor allem Kindern Zugang zu Naturthemen verschafft und dazu beiträgt, die nahe Jugendherberge besser mit Schulklassen auszulasten.
"Viele Lehrer würden die Wingst nicht als Ausflugsziel wählen, wenn es das Waldmuseum nicht gabe," weiß ein Insider. Das kleine Mitmach-Museum wird von den Pädagogen geschätzt, wie ein Blick in das dicke Gästebuch zeigt, das Lob über Lob enthält.
Die Sammlung und ihre Präsentation in den hellen, lichten Räumen sind nahezu auf dem jüngsten Stand. Das gesamte, erstmals 1966 eröffnete Museum wurde von der Dipl.-Biologin Dr. Kathrin Baumann von der Bad Harzburger Alnus GbR vor einigen Jahren runderneuert und aktualisiert. Vertreten ist unter anderem ein so hochaktuelles Thema wie der nun allenthalben empfohlene Waldumbau: Mischwälder statt monotoner Stangenforsten, damit Deutschlands grünes Drittel, vorgeschädigt durch Sauren Regen, künftig gegen Stürme, Borkenkäferbefall, Trockenheit und andere Begleiterscheinungen des Klimawandels besser gewappnet ist (siehe dazu www.waldsterben-waldleben.de).
Hoch gelobt wird von Besuchern das Talent der seit 26 Jahren aktiven, freundlichen und herzensguten Museumsleiterin Ingrid Reyelt, mit Kindern einfühlsam umzugehen. Die Wingsterin versteht es, mit Angeboten wie einer Fragebogen-"Rallye im Waldmuseum" ("Welche Moose wachsen in der Wingst?"), mit einem Holz-Quiz (mit Baumscheiben zum Anfassen) und einem Vogelstimmen-Test am PC ("Wer singt denn da?") Kinder zu begeistertem Mitmachen zu animieren.
Bereits 2005 sollte dieses schöne, herrlich gelegene kleine Museum - Unterhaltungskosten pro Jahr: rund 8000 Euro - dem Cuxhavener Rotstift zum Opfer fallern. Die Pläne wurden zurückgezogen, nachdem Kreistagsmitglieder wie SPD-Kulturexperte Uwe Dubbert (Hechthausen), die AG Osteland ("kultureller Kahlschlag") und der damalige SG-Bürgermeister Jan-Erik Bohling auf die Hirnrissigkeit des Planes hingewiesen hatten.
Mit einem Verkauf des kreiseigenen Hauses, das sich "der Vermittlung von Grundwissen und Bildung" verschrieben habe, sei die Einrichtung "tot", befürchtete Bohling: "Es ist unglaublich, dass diese Einrichtung an die Wand gefahren werden soll."
Ähnlich argumentiert jetzt auch Bohlings Nachfolgerin Bettina Gallinat: "Es ist sehr bedauerlich, dass einer touristischen und kulturellen Attraktion wie dem Waldmuseum durch einen Verkauf möglicherweise die Schließung droht.“ Als absurd empfindet auch sie es, dass ein solcher Kahlschlag ausgerechnet in der einzigen westdeutschen Region droht, der die EU durch die Aufnahme in ihr Armutbekämpfungsprogramm besonderen Nachholbedarf bescheinigt hat.
Von Geldern:
"Ein feines,
kleines,
modernes Museum"
Zur
Neueröffnung des Museums vor zehn Jahren hatte der Präsident
der Schutzgemeinschaft
Deutscher Wald, Dr. Wolfgang von
Geldern (Foto) erklärt, "mit dem feinen, kleinen, modernen
Waldmuseum" leiste der Kreis Cuxhaven "einen wichtigen Beitrag
für die waldpädagogische Arbeit, insbesondere bei
Kindern und Jugendlichen, einen Beitrag auch zur Steigerung
der Attraktivität des Fremdenverkehrsstandorts Wingst und
schließlich einen Beitrag im Rahmen des großen Auftrags, die
Bedeutung des Waldes für Umwelt und Klima
ins Bewußtsein zu rufen, gerade auch in einer Zeit vielfacher Gefährdungen
und Belastungen dieses einzigartigen Biotops".
Es wäre an der Zeit, dass sich die Schutzgemeinschaft erneut zu Wort meldet, ebenso wie BUND und Nabu, Greenpeace und Robin Wood, Naturfreunde und Lehrergewerkschaften, Schulen und Kinderschützer - damit den Kindern eine Stätte erhalten bleibt, wie es sie ähnlich weit und breit nicht gibt.
www.ostemarsch.de